aus dem Film "Das Wunder von Manhattan"
Gibt es das Christkind wirklich?
Auf diese Frage wusste auch die achtjährige Virginia O’Hanlon aus New York keine Antwort. Am 20. September 1897 schrieb sie deshalb an die Zeitung „New York Sun“. Die Sache war Chefredakteur Francis P. Church so wichtig, dass er dem kleinen Mädchen selbst antwortete.
Der Briefwechsel wurde unter dem englischen Originaltitel „Is there a Santa Claus?“ bis zur Einstellung der Zeitung im Jahr 1949 immer zu Weihnachten auf der Titelseite abgedruckt – und damit zum meistgedruckten Zeitungsartikel aller Zeiten.
Lieber Redakteur
Ich bin acht Jahre alt. Einige von meinen Freunden sagen, das Christkind gibt es nicht. Papa sagt, was in der „Sun“ steht, ist immer wahr. Bitte, sagen Sie mir die Wahrheit:
Gibt es das Christkind?
Virginia O’Hanlon,
115 West Ninety-fifth Street
Virginia, Deine kleinen Freunde haben Unrecht. Sie glauben nur, was sie sehen. Sie glauben, dass es nicht geben kann, was sie mit ihrem kleinen Geist nicht erfassen können. Aller Menschengeist ist klein, ob er nun einem Erwachsenen oder einem Kind gehört. Im Weltall verliert er sich wie ein winziges Insekt. Solcher Ameisenverstand reicht nicht aus, die ganze Wahrheit zu erfassen und zu begreifen.
Ja, Virginia, das Christkind gibt es wirklich.
So gewiss, wie es Liebe und Großherzigkeit und Treue gibt. Weil es all das gibt, kann unser Leben schön und heiter sein. Wie dunkel wäre die Welt, wenn es kein Christkind gäbe! Es gäbe dann auch keine Virginia, keinen Glauben, keine Poesie, gar nichts, was das Leben erst erträglich machen würde. Ein Flackerrest an sichtbarem Schönen bliebe übrig. Aber das Licht der Kindheit, das die Welt ausstrahlt, müsste verlöschen.Es gibt ein Christkind. Sonst könntest Du auch den Märchen nicht glauben. Gewiss, Du könntest Deinen Papa bitten, er solle am Heiligen Abend Leute ausschicken, das Christkind zu fangen. Und keiner von ihnen bekäme das Christkind zu Gesicht – doch was würde das beweisen? Kein Mensch sieht es einfach so. Das beweist gar nichts. Die wichtigsten Dinge bleiben meistens unsichtbar. Die Elfen zum Beispiel, wenn sie auf Mondwiesen tanzen. Trotzdem gibt es sie.
All die Wunder zu denken, geschweige sie zu sehen, das vermag nicht der Klügste auf der Welt. Was Du auch sieht, Du siehst nie alles. Du kannst ein Kaleidoskop aufbrechen und nach den schönen Farbfiguren suchen. Du wirst einige bunte Scherben finden, nichts weiter. Warum?
Weil es einen Schleier gibt, der die wahre Welt verhüllt, einen Schleier, den nicht einmal alle Gewalt auf der Welt zerreissen kann. Nur Glaube und Poesie und Liebe können ihn lüften. Dann wird die Schönheit und Herrlichkeit dahinter auf einmal zu erkennen sein. »Ist das denn auch wahr?« kannst Du fragen. Virginia, nichts auf der ganzen Welt ist beständiger.
Das Christkind lebt, und es wird ewig leben. Sogar in zehnmal zehntausend Jahren wird es da sein, um Kinder wie Dich und jedes offene Herz mit Freude zu erfüllen.Frohe Weihnacht, Virginia.
Francis P. Church
von Carl Zuckmayer
Manchmal des Nachts, wenn ich die Öfen schürte,
Sah ich durchs Fenster, nah und weltenfern,
So jäh, als ob mich eine Hand berührte,
Den nie vorher gesehenen Stern.
Er sprang und zuckte grün in kaltem Feuer
So groß war nie ein Licht, und kein Planet.
Mein Blick war blind davon, und ungeheuer
Erschrak mein Herz, und fand nicht zum Gebet.
Hob dann die Lider ich, war er verschwunden.
War es ein Zeichen? War’s ein Ruf des Herrn?
Ich frage nicht. Doch hält mich tief gebunden
Der nie vorher gesehene Stern.
aus Frankreich
von Christine Götter
Eines Abends im Advent, es war irgendwann in den 90-iger Jahren, beschloß das Christkind Weihnachten wieder einmal auf der Erde zu verbringen.
Es war lange nicht mehr dort gewesen. Der Weg zur Erde war weit und beschwerlich und er wurde auch kaum mehr begangen, außer von ein paar Engeln. Diese mußten sich ab und zu da unten umsehen, denn sie schrieben die Chronik der Erde.
Nur einer machte sich Jahr für Jahr auf den Weg, das war der Weihnachtsmann. Viel Arbeit hatte er nicht mehr, denn es gab nur noch sehr wenig Kinder, die an ihn glaubten. Für diese Kinder machte er sich besondere Mühe, denn sie waren seine Hoffnung für den Frieden der Erde.
Das Christkind konnte den traurigen Erzählungen des Weihnachtsmannes kaum Glauben schenken, er war halt doch schon ein recht alter Mann. Auch die Chronik, welche die Engel schrieben, erschien ihm nicht wahr. »Diese Engel übertreiben doch immer wieder, ich will mich selbst überzeugen!«
So kam es, daß das Christkind am Morgen des Weihnachtstages auf der Erde landete. Es war entsetzt über all die Dinge, die es sich ansehen mußte: Leute im Geschenke-Kaufrausch, Weihnachtslieder plärren aus Lautsprechern, angespannte und gehetzte Gesichter… schlichtweg ein Durcheinander, das es früher nie gegeben hatte. Beim Kommentar einer jungen Frau horchte das Christkind auf: »Dieses Weihnachtsgetue nervt mich, hoffentlich ist der Rummel bald vorbei!«
»Das ist es wohl«, dachte das Christkind. »Die Leute tun nur noch so, als ob Weihnachten wäre, das eigentliche Weihnachtsgefühl kennen sie längst nicht mehr.«
Auch abends in den Familien wurde es kaum besser. Schnell – schnell, in die Kirche. Heute muß man da ja hin, ist doch Weihnachten – rasch nach haus, das Essen wird sonst kalt – der Teller ist noch nicht leer, schon quengeln die Kinder. Sie wollen ihre Geschenke, schließlich hat man sie lange genug neugierig gemacht. Gleich ist es soweit – JETZT…
Dem Christkind stehen die Tränen in den Augen. So traurig war es lange nicht gewesen. Es mußte etwas tun, um den Menschen wieder echte Freude zu schenken.
Da kam ihm eine Idee: Es hatte ja noch sein Weihnachtslicht einstecken! Mit dem tröstete es im Himmel kleine Engelchen, die von ihrer Wolke gefallen waren, oder spendete Trost für alle, die traurig waren. Wieso sollte diese Licht auf der Erde nicht auch seine Wirkung tun? Rasch griff das Christkind in seine Tasche und streute Weihnachtslicht in jedes Haus. Es vergaß kein einziges.
Auf einmal wurde es überall still. Den Menschen wurde warm ums Herz. Die Erwachsenen wollten sich zuerst gegen dieses Gefühl wehren, denn sie kannten es nicht oder hatten es vergessen. Die Kinder aber, sie nahmen es sofort an. Für sie war es das Schönste, was sie je erlebt hatten. Die Alten lächelten still. Ja, Weihnachten hatte seinen Zauber wieder, der im Laufe der Zeit verloren gegangen war.
»So etwas darf nie mehr geschehen« dachte das Christkind und ließ vorsorglich eine ganze Menge Weihnachtslicht auf der Erde zurück, bevor es sich wieder auf den Heimweg machte. Dieses besondere Licht brennt seitdem in jeder Kerze und bringt Frieden und Zuneigung, aber auch Ruhe und Nachdenklichkeit in die Häuser und Herzen der Menschen.
»Ja ja«, brummte der Weihnachtsmann wohlwollend, als er das Christkind bei seiner Heimkehr empfing. »Du hast den Menschen das schönste aller Geschenke gemacht – du hast ihnen die Freude gegeben.« Damit wandte er sich um und ging zu seiner Weihnachtswerkstatt.
24. Dezember 2024 | aktualisiert im Dez. 2024 | 4.245 Betrachter